In meinem "ersten Leben", als ich noch Büroangestellte war, erlebte ich es sehr oft, dass Kollegen krank zur Arbeit erschienen sind. Teilweise trieben sie es soweit, dass sie mit glasigen Augen und fiebrig an ihren Schreibtischen saßen. Ich konnte mir die spitze und aus dem Sozialismus der ehemaligen DDR geklaute Frage, ob sie denn "Held der Arbeit" werden möchten und ich ihnen zur Feier des Tages eine rote Nelke auf den Tisch stellen soll, nicht verkneifen. Meist erntete ich dann nur ein Grinsen. Den Hintergrund meiner Bemerkung haben die wenigsten verstanden. Ich weiß nicht, ob das ein rein deutsches Phänomen ist, aber hierzulande gehörte es vor der Corona-Pandemie fast schon zum guten Ton, völlig verrotzt und leidend in der Firma zu erscheinen. Es zeugte von Stärke und Willenskraft den eigenen Körper zu bezwingen und verschaffte einem den nötigen Respekt beim Chef, wenn man deutlich sichtbar die frei verkäuflichen Anti-Erkältungs-Medikamente auf dem Tisch stapelte. Dass sie damit aber eine eher ungute Dynamik in Gang setzen, kam diesen Menschen nicht in den Sinn. Es war dann natürlich nur eine Frage der Zeit, bis die Infektion um sich gegriffen hat und ein Kollege nach dem Anderen ebenfalls krank wurde.
Diese Unart hat natürlich auch einen Namen: Präsentismus. Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse aus 2021, bei der 11.000 Beschäftigte über vier Jahre lang befragt wurden, geht mehr als die Hälfte der Befragten regelmäßig krank zur Arbeit. Die Studie zeigt auch auf, dass Frauen häufiger von Präsentismus betroffen sind als Männer. Die Schlussfolgerung der Studie ist, dass nicht zuletzt auch die Überlastung der Mitarbeiter und damit verbundene Angst, Liegengeblienes nicht mehr aufarbeiten zu können, eine große Rolle spielt. Meine Erfahrung von früher ist aber, dass es oft nicht daran liegt, dass die Menschen die durch die Krankheit nicht geschaffte Arbeit fürchten. Es ist eher der psychische Druck, der heute immer noch besonders in kleineren und mittelständischen Unternehmen auf die Mitarbeiter ausgeübt wird. Wer krank macht, gilt als faul und schwach. Dabei wäre es eigentlich genau richtig, Mitarbeiter zu bestärken, bei ausgeprägtem Krankheitsgefühl zu Hause zu bleiben und sich zu kurieren. Denn was viele nicht bedenken: Ein Mensch, der sich einen grippalen Infekt eingehandelt hat, ist hochgradig ansteckend! Nicht nur, dass über sogenannte Aerosole die Krankheitserreger in der Umgebung verbreitet werden, sondern auch auf Oberflächen anhaften. Aus ökonomischer Sicht ist diese Dynamik katastrophal.
Schuld an einer Erkältung sind meist Viren, welche die oberen Atemwege befallen und dort eine Entzündung auslösen. Zu den oberen Atemwegen gehören die Nase, die Nebenhöhlen und der Rachenraum. Unser Körper versucht nun mit Hilfe des Immunsystems die Erreger abzuwehren. Unser Immunsystem ist sehr komplex und setzt bei einer erfolglosen ersten Abwehr durch das sogenannte angeborene Immunsystem, zu dem die großen Fresszellen (Makrophagen) gehören, eine Kaskade in Gang um den Erreger unschädlich zu machen. Hierbei werden Botenstoffe ausgeschüttet, die Entzündungen verstärken und so die Immunzellen an den Ort des Geschehens locken sollen. Durch diese Immunantwort fühlen wir uns schlapp und ausgelaugt. Manchmal entscheidet der Hypothalamus im Gehirn, dass nur noch eine Temperaturerhöhung gegen den Erreger hilft und ordnet daher Schüttelfrost an - wir bekommen Fieber. Der Organismus leistet hier gerade Schwerstarbeit und benötigt dafür eine Menge Ruhe und Schonung. Wenn wir nun aber die Signale des Körpers ignorieren und trotzdem zur Arbeit, feiern oder zum Sport gehen und vielleicht noch Medikamente nehmen, die uns vorgaukeln dass es uns besser geht, behindern wir den Körper bei seiner so wichtigen Mission und verlängern schlimmstenfalls die Erkältung. Manchmal kommt es vor, dass sich an das sowieso schon geschwächte Immunsystem noch andere Erreger wie z.B. Bakterien heranschleichen. Dann kann es zu einer Sekundärinfektion, also einer zweiten Infektion zusätzlich zur Ersten, kommen. Das gilt es zu vermeiden, denn die Sekundärinfektion kann zu schweren Krankheitssymptomen führen und z.B. andere Organe wie das Herz befallen.
Fazit: Eine Erkältung ist eine Entzündungsreaktion im Körper, die genau so viel Aufmerksamkeit benötigt, wie jede andere Infektionskrankheit auch. Wer krank zur Arbeit geht schadet nicht nur der Firma sondern in erster Linie sich selbst.
Impressum - Datenschutz - Newsletter - Termin buchen
Copyright © Alle Rechte vorbehalten.