Schmerz ist ein unangenehmer Begleiter. Man sieht ihn nicht, aber man spürt ihn umso intensiver. Es gibt verschiedene Arten von Schmerz, den stechenden, pochenden, ziehenden, krampfartigen, brennenden, um nur einige Varianten zu nennen. Mancher Schmerz ist dauerhaft da, mancher nur in Bewegung oder bei bestimmten Körperhaltungen. Ein langfristiger Schmerz ist belastend und beeinträchtigt die Lebensqualität meistens immens.
Aber Schmerz hat auch seine guten Seiten, denn ohne ihn würden wir nicht merken, wenn etwas unserem Körper nicht gut tut.
Schmerz wird durch die Wahrnehmung eines Reizes, der sowohl von außen als auch von innen kommen kann, ausgelöst. Die Auslöser sind vielfältig und können sich über Temperatur, Dehnung, Druck, krankhafte Prozesse oder Verletzungen erstrecken. Sogenannte Schmerzrezeptoren nehmen diese Reize auf und leiten sie an das Rückenmark weiter. Von dort wird der Schmerz an das Gehirn weitergeleitet. Im Gehirn angekommen, wird der Reiz nun ausgewertet und anschließend als bewusster Schmerz wahrgenommen. Was sich so anhört wie ein sozialistischer Bürokratie-Apparat funktioniert in Wahrheit innerhalb von weniger als einer Sekunde. Bei den Schmerzrezeptoren handelt es sich um freie Nervenendigungen, die sich in fast allen Körpergeweben befinden. Besonders viele davon befinden sich in der Haut. Das ist nicht verwunderlich, denn die Haut ist unser größtes Organ und der direkte Kontakt unseres Körpers zur Außenwelt.
Am Anfang steht immer ein akutes Ereignis, das den Schmerz auslöst. Das kann z.B. eine Entzündung oder ein Unfall sein. Der Schmerz ist dabei ein Schutzmechanismus, der uns zeigt, dass gerade etwas mächtig "gegen den Baum" läuft. Er soll uns davor warnen, etwas zu tun, das die ganze Sache noch schlimmer macht.
Das ist am Anfang auch richtig gut, aber manchmal meint unser Körper es auch einfach zu gut mit uns.
Wenn der Schmerz sich nicht kurzfristig und effektiv beheben lässt, weil z.B. die Verletzung sehr schwer und der Heilungsprozess langwierig ist, kann es passieren, dass der Körper ein sogenanntes Schmerzgedächtnis entwickelt.
Hierbei ist die Schmerzweiterleitung zwischen den Nervenenden (Synapsen) gestört. Der Körper "lernt" dabei, dass die Reizweiterleitung aufrechterhalten werden muss und leitet immer mehr Schmerzreize vom peripheren Nervensystem an das Zentralnervensystem weiter. Das ist zumindest die stark vereinfachte Erklärung.
Leider ist es bisher nicht möglich, ein Schmerzgedächtnis durch Medikamente zu löschen. Allerdings kann man vorbeugen. Es ist also keine Willkür, dass Ärzte bei Verletzungen oder starken Entzündungen auch starke Schmerzmittel verordnen. Denn es ist erwiesen, dass die Schmerzausschaltung auch dem Schmerzgedächtnis vorbeugt und sogar Heilungsphasen beschleunigt. Bei Erkrankungsbedingten starken Schmerzen sollte man also nicht den Helden spielen und sich selbst beweisen wollen, wie viel man denn aushält. Das könnte den gegenteiligen Effekt erzielen, als den, den man eigentlich haben möchte.
Je länger ein schmerzhafter Krankheitsprozess sich aufbauen oder anhalten kann, um so länger dauert es, bis dieser Zustand wieder rückgängig gemacht werden kann. Das kann man mit einer schlechten Gewohnheit oder etwas fehlerhaft Gelerntem vergleichen: Es dauert doppelt so lange, einen Fehler zu beheben, als es einmal richtig zu lernen.
In meiner Praxis behandle ich hauptsächlich Menschen mit Rückenschmerzen. Denn Beschwerden im Muskel- und Skelettsystem sind der häufigste Grund für Krankschreibungen in Deutschland. Glücklicherweise sind ca. 90 % der Rückenschmerzen nicht auf eine organische Erkrankung zurückzuführen sondern auf muskuläre Dysbalancen. Aber die haben es in sich! Fehlhaltungen und zu wenig Bewegung, die wiederum Fehlhaltungen begünstigt führen zu Schmerzen der Muskeln und Nervenstrukturen. Denn wenn Schmerzen auftreten, versucht der Körper sich noch mehr zu schützen. Zu den eh schon vorhandenen Fehlhaltungen kommt noch eine zusätzliche Schonhaltung. Hierbei werden über die Jahre auch zunehmend Abnutzungserscheinungen begünstigt wie z.B. die Arthrose. Diese führen dann wieder zu weiteren Eskalationsstufen wie (chronische) Entzündungen und daraus entsteht dann der berüchtigte Lerneffekt, wie ich ihn oben beschrieben habe. In der Regel hat der Patient, bis er oder sie in meine Praxis findet, jahrelang Unmengen an Schmerzmitteln zu sich genommen, die irgendwann immer weniger geholfen haben. Die Schmerzmittel begünstigen im sauren Milieu einer möglichen Entzündung durch ihre Verstoffwechselung eine weitere Säuerung des Milieus und die Entzündung kommt nie zum Stillstand. In meinem Artikel über den Säure-Basen-Haushalt habe die Zusammenhänge zwischen einer Übersäuerung und Schmerzen erklärt.
Die Behandlung von chronischen Schmerzen ist immer auch ein dynamischer Prozess, da hier mehrere Faktoren mit einbezogen werden müssen. Dazu gehören die individuellen Lebensumstände, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, das Bewegungs- und Ernährungsverhalten. Besonders der Ernährung fällt hier eine wichtige Funktion zu: Viele Lebensmittel die stark industriell verarbeitet sind, aber auch insbesondere tierische Lebensmittel, fördern die Ausschüttung entzündungsfördernder und somit auch schmerzfördernder Botenstoffe im Körper. Eine ungünstige Ernährungsweise und die Einnahme von verschiedenen Medikamenten fördern zudem einen Mangel an Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, die für sämtliche Stoffwechselvorgänge im Körper eine entscheidende Rolle spielen. Herrscht ein Mangel von diesen Mikronährstoffen, kommt es zu Störungen in diesem fragilen System und der Körper wird unweigerlich geschwächt. Da wir ja im Alltag trotzdem "funktionieren" müssen und dann aber nicht genügend Nährstoffe zuführen, äußert sich das in Müdigkeit, Leistungsknick, gesteigertem Schmerzempfinden und im schlimmsten Fall entsteht eine sogenannte stille Entzündung. Wenn wir über Ernährung sprechen, müssen wir auch über den Darm sprechen. Denn hier leben Millionen von Bakterien, die unermüdlich damit beschäftigt sind, unsere Nahrung zu verstoffwechseln. Sie produzieren dadurch sowohl Nährstoffe für uns als auch die Nahrung für sich selbst. Eine Bakterienart ernährt die andere, das sogenannte Crossfeeding. Nur so kann die Vielfalt der kleinen Helferlein und unsere Gesundheit erhalten bleiben. Eine Lebensstiländerung ist oftmals unumgänglich, um den den Schmerz erfolgreich eindämmen zu können. Auch die Akzeptanz des Schmerzes als psychologischen Effekt sollte nicht unterschätzt werden. Viele Patienten profitieren davon, wenn sie das Auftreten des Schmerzes akzeptieren und nicht mehr aktiv dagegen ankämpfen. Indem die Patienten sich einfach etwas mehr Ruhe gönnen, ihre Ernährung zu einer gesunden und vollwertigen Kost umstellen und - je nach Indikation - eine gezielte manuelle Behandlung der Beschwerden in Anspruch nehmen, können die chronischen Schmerzen langfristig und nachhaltig gebessert werden.
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